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Die zweite Empfangsregelung vom April/Mai 1924
Die stetig anwachsende Radioamateurbewegung war für die Reichsbehörden – zumindest in dieser Form – natürlich auf Dauer nicht tragbar, denn – so ein Rundschreiben des RPM vom 20.12.23 an alle die mit dem Medium befaßten Stellen:
"Hierdurch würde – neben sonstigen Nachteilen – nicht nur die Einnahmequelle für das Reich zerstört, sondern auch die Gefährdung des öffentlichen Telegraphengeheimnisses sowie die Gefahr des Mißbrauchs bei Putschen und Unruhen gegeben sein."
Noch im Januar 1924 begannen die zuständigen Behörden deshalb, Maßnahmen zur
Disziplinierung einzuleiten, und zwar auf zwei Ebenen: Auf der einen Seite versuchten sie, die zu einer Zusammenarbeit willigen Amateure
durch eine kontrollierte Legalisierung selbstgebauter Empfangsgeräte in das
staatliche Rundfunkkonzept einzubinden. Andererseits wurde jetzt aber auch die
angestrebte gesetzliche Neuregelung des Funkempfangs forciert, um dadurch die
Grundlage für eine wirkungsvolle strafrechtliche Verfolgung von Schwarzhörern
und anderen Funksündern zu erhalten.
Die Integration der Amateure in das staatliche Rundfunkkonzept wurde dabei dadurch
erleichtert, daß der behördliche Wunsch nach Kontrolle des Rundfunkempfangs
bei Teilen der Amateurbewegung durchaus auf Verständnis stieß. Empört über die
ersten Empfangsbestimmungen hatte man hier zwar zunächst eine vollständige Freigabe
des Funkempfangs gefordert, mittlerweile wurde in den Zeitschriften der Amateure
aber nicht selten auch überlegt, ob die Interessen der Amateure durch straffe
Organisation der Vereine und strenge Selbstkontrolle der Mitglieder nicht mit
denen der Behörden vereinbart werden könnte. Als einen ersten Schritt in dieser Richtung schlossen sich einige Vereine
am 23.1.1924 sogar zu einem zentralen Dachverband, dem Deutschen Funkkartell
e.V. zusammen, so daß für eine Einigung mit der Reichspost gute Voraussetzungen
bestanden. Schon am Tag darauf gelang es Bredow bei einem
Treffen mit Vertretern des Kartells erste Absprachen über eine Versöhnung zu
erzielen; und im Februar 1924, auf einer Tagung des Berliner Vereins der Funkfreunde
e.V. konnte die Reichspost den Amateuren sogar schon eine baldige Legalisierung
ihrer Aktivitäten in Aussicht stellen:
"Soweit es sich um Kreise handelt, die den Wunsch haben und befähigt sind, auf dem Wege über die Funkentelegraphie technische Kenntnisse zu erwerben, soweit es sich darum handelt, der Jugend auf einem zwanglosen Wege die Liebe zur Technik einzuflößen, soweit werden wir unsere Hand dazu bieten."
Vor der geplanten Legalisierung des Amateurwesens wurden jedoch, um auch den nötigen Druck auf die Amateure auszuüben, die noch nicht zu einer Kooperation bereit waren, zunächst die gesetzlichen Bestimmungen über den Funkempfang verschärft; und zwar, da eine parlamentarische Gesetzesnovellierung nach wie vor unmöglich schien, mittels einer Notverordnung des Reichspräsidenten gemäß § 48 der Weimarer Verfassung. Zur Begründung dieses, in diesem Stadium der Republik noch ungewöhnlichen Verfahrens wurde dabei nochmals auf die politischen Gefahren einer unkontrollierten Funknutzung verwiesen:
"Die Zahl der geheimen Funkanlagen ist in steter Zunahme begriffen. Das Bestehen solcher Anlagen gefährdet ernstlich die Sicherheit des Staates und der öffentlichen Ordnung, da sie für staatsumstürzlerische Kreise die Möglichkeit bietet, sich ein umfassendes geheimes Nachrichtennetz zu schaffen, das in Fällen von Gefahr die Durchführung von Maßnahmen der verfassungsmäßigen Regierung ernstlich gefährden kann."
Die Not-Verordnung zum Schutze des Funkverkehrs, die am 8. März 1924 vom Reichspräsidenten
erlassen wurde und am 4. April in Kraft trat, brachte gegenüber dem alten Telegraphengesetz von 1908 vor allem zwei Neuerungen.
Zum einen wurde der Begriff der Telegraphenanlagen, welche ohne metallische
Leitungen Nachrichten vermitteln, durch den klareren Begriff der Funkanlage
ersetzt, so daß das Funkmonopol des Reiches auch nach Einführung des Rundfunks
rechtlich eindeutig festgeschrieben war. Zum anderen wurden, wie geplant, die
staatlichen Kontrollmöglichkeiten über der Rundfunkempfang und die Strafbestimmungen
für Funkvergehen erheblich verschärft: Wohnungsdurchsuchungen nach geheimen
Funkanlagen durften jetzt ohne richterliche Genehmigung durchgeführt werden,
wobei Postbeamte dieselben Rechte erhielten wie Polizeibeamte; und bei einem
Verstoß gegen die behördlichen Bestimmungen, etwa durch den Besitz eines nicht
genehmigten Empfangsgeräts, konnten jetzt Geldstrafen bis zu 100000 Goldmark
oder auch Gefängnisstrafen verhängt werden.
Erst auf Basis dieser verschärften Bestimmungen wurden dann im Mai 1924 durch
die Verfügung des RPM Nr. 273 und die im Zusammenhang mit ihr erlassenen Richtlinien
für die Regelung des Amateurfunkwesens die rechtlichen Voraussetzungen für eine
Einbindung der Amateure in das staatliche Rundfunkkonzept geschaffen.
Neben einer allgemeinen Senkung der Genehmigungsgebühr für private Empfänger
auf 2 RM pro Monat sah diese neue Postverfügung erstmals eine Genehmigungsmöglichkeit
selbstgebastelter Empfangsgeräte vor, wobei aus sicherheitspolitischen Erwägungen
allerdings zwischen selbstgebauten Detektor- und selbstgebauten Röhrengeräten
unterschieden wurde. Während man zum Bau und Betrieb der leistungsschwachen
Detektorgeräte nur eine sog. Detektorversuchserlaubnis benötigte, die jedem
Interessenten nach Zahlung der Empfangsgebühr ohne weitere Bedingungen erteilt
werden sollte, war zur Herstellung und Nutzung selbstgebauter Röhrenempfänger,
die bei fundierter technischen Kenntnis zu (Stör)Sendern umgebaut werden konnten, eine sog. Audionversuchserlaubnis vorgeschrieben, die, um ihre Vergabe an
technisch unqualifizierte oder politisch unzuverlässige Amateure auszuschließen,
nur an Mitglieder der im Deutschen Funkkartell zusammengeschlossenen Amateurvereine
erteilt werden durfte.
Dem Dachverband der Amateure wurde gleichzeitig die Aufgabe übertragen, als
Selbstverwaltungskörperschaft unter Kontrolle des RPM die Qualifikation seiner
Mitglieder zu prüfen, ihnen bei erfolgreicher Prüfung die Audionversuchserlaubnis
zu erteilen und über deren ordnungsgemäße Nutzung selbst zu wachen. Als Gegenleistung für diese Privilegien wurde von den Vereinen allerdings
sowohl "strenge Selbstzucht"
, als auch eine Gesinnungsüberprüfung der Mitglieder verlangt, denn die Audionversuchserlaubnis
durfte nur solch einem Mitglied gewährt werden, das auch "seiner Persönlichkeit
nach die Gewähr dafür bietet, daß es die Bestrebungen zur Förderung des Funkwesens
nicht schädigen wird."
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