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Erfolg: Die Herausbildung des mediengerechten Publikums und die dritte Empfangsregelung vom August 1925
Die von den Reichsbehörden mit Notverordnung und Postverfügung verfolgte Doppelstrategie
zur Disziplinierung der Amateure führte noch im Sommer 1924 zu ersten positiven
Auswirkungen auf die Teilnehmerentwicklung am Rundfunk. Die im Funkkartell zusammengeschlossenen
Vereine, die – um ihre Privilegien nicht wieder zu verlieren – jetzt selbst
Interesse an geordneten Verhältnissen zeigten, drängten ihre Mitglieder zur
Beachtung der neuen Postvorschriften, und allein im Juni 1924, dem ersten Monat
nach Erlaß der neuen Verfügung verdreifachte sich die Zahl der offiziell registrierten
Rundfunkteilnehmer auf mehr als 70000. Am 1. Oktober, als außer der WERAG alle
Programmgesellschaften den regelmäßigen Sendebetrieb aufgenommen hatten, waren
es schon mehr als 280000 Hörer, die ein Gerät angemeldet hatten, und täglich, so wußte der offiziöse Deutsche Rundfunk
zu berichten, wuchs ihre Zahl um "fast 2000" weitere Teilnehmer
an.
Gegen die Amateure, die nicht bereit waren, sich in das staatliche Empfangskonzept
integrieren zu lassen und ordentliche Rundfunkteilnehmer zu werden, ging die
Reichspost im Herbst 1924 mit aller auf Basis der Notverordnung zu Gebote stehenden
Härte vor. Eine in der Verordnung gewährte vierwöchige Amnestiefrist für Funkvergehen
war mittlerweile längst abgelaufen, und die Postdienststellen wurden angewiesen,
"dem Schwarzhörertum rücksichtslos entgegenzutreten".
"Der Ton hatte sich spürbar verändert und es war keine Rede mehr von der Nachsicht mit unwissenden und lediglich technisch interessierten Zeitgenossen. Wer nun entdeckt wurde, mußte sofort mit einer Strafanzeige rechnen und nach seiner rechtskräftigen Verurteilung sollte sein Name zur Abschreckung durch den zuständigen Sender verbreitet werden."
Mit dieser regelrechten "Mobilmachung gegen die Schwarzhörer" gelang es den Reichsbehörden endgültig, ihre Rundfunkordnung gegenüber den
Hörern durchzusetzen. Die meisten bislang noch nicht privilegierten Funkvereine
ersuchten noch vor der Jahreswende 1924/25 um Aufnahme in das Funkkartell
, und bereits kurz vor Weihnachten 1924 waren bei der RTV mehr als eine halbe
Million zahlender Rundfunkhörer registriert, so daß sich die wirtschaftlichen
Verhältnisse bei Post und Rundfunkgesellschaften zu stabilisieren begannen
.
Unterstützt wurde das Anwachsen der Teilnehmerzahlen auch durch die wirtschaftliche
Entwicklung. Während das Lohnniveau seit Anfang 1924 langsam wieder angestiegen war, wurden fabrikfertige Radioempfänger
(nicht zuletzt auch, weil das RPM am 1.1.1925 die anfangs enorm hohen Vorführungsgebühren
für Gerätehersteller und Händler auf ein Drittel ihres bisherigen Betrags senkte)
zunehmend preiswerter. So war ein Kristalldetektorgerät 1925 schon für ca. 30
RM zu erhalten, ein einfaches Röhrengerät mit Lautsprecher kostete jetzt nur
noch ca. 200 RM
. Für viele Amateure, vor allem aus dem Mittelstand, wurde der Kauf eines fabrikfertigen
Radiogeräts dadurch erschwinglich und bei vielen von ihnen schwand mit der wirtschaftlichen
Notwendigkeit auch das technische Interesse am Radiobasteln, so daß sich allmählich
der von Behörden und Industrie gewünschte Hörertypus herauszubilden begann.
Aus Radioamateuren aus wirtschaftlicher Not wurden die passiven, "eigentlichen
Rundfunkteilnehmer", von denen die Zeitschrift Funk bereits im Mai
1925 feststellen mußte, daß sie
"(…) lediglich Unterhaltung durch den Rundfunk als Zuhörer wünschen, sich im übrigen aber für die Funkerei an sich nicht weiter interessieren."
Bis zum August 1925 hatte sich die Situation auf dem Funksektor schließlich
soweit entschärft, daß die Reichspost durch neue grundlegende Verwaltungsbestimmungen
die Genehmigungsmodalitäten des Rundfunkempfangs wieder erheblich lockern konnte.
Durch die sog. Bekanntmachungen über den Unterhaltungsrundfunk, die am 1.9.1925 in Kraft traten, hob das RPM die Prüfungs- und Stempelpflicht
für industriell hergestellte Geräte auf. Die Genehmigungsgebühren für Industrie
und Handel wurden erneut erheblich gesenkt, und auch die komplizierten Bestimmungen
zur Erteilung der Audionversuchserlaubnis, die ein Jahr zuvor noch zur Einbindung
der Amateure notwendig gewesen war, entfielen jetzt vollständig. Die allgemeine
Genehmigungspflicht und auch die harten Strafbestimmungen der Notverordnung
blieben freilich auch weiterhin bestehen und wurden Ende 1927, bei der schließlich
doch noch zustandekommenden parlamentarischen Novellierung des Telegraphengesetzes
im Gesetz über Fernmeldeanlagen
sogar endgültig festgeschrieben.
Zu diesem Zeitpunkt waren die staatliche Ordnung und Kontrolle des (Rund–)Funkempfangs
jedoch bereits zu Fakten geworden, die vom breiten Publikum als beinahe ebenso
selbstverständlich hingenommen wurden, wie die staatlichen Gewinne aus dem Medium.
Und die betrugen 1927, bei mehr als zwei Millionen zahlender Rundfunkteilnehmer
und 45825000 RM Gebührenaufkommen immerhin schon 21975000 RM, so daß sich die jahrelangen Bemühungen der Behörden durchaus bezahlt machten.
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