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Zwischen Freigabe des Funkempfangs und Disziplinierung des Publikums:
Die Entstehung der äußeren Organisation des Weimarer Rundfunks
Der Aufbau einer möglichst staatsnahen und behördlicherseits möglichst umfassend
kontrollierten Organisation von Programmproduktion und Sendebetrieb war keineswegs
die einzige Aufgabe, vor die sich die Reichsbehörden bei Einführung des Rundfunks
gestellt sahen. Spätestens nachdem sich das anfänglich von Post und Deutscher
Stunde verfolgte Saalfunkprojekt im Winter 22/23 zerschlagen hatte (vgl. S.
), bedurfte es darüber hinaus auch einer, wenigstens
teilweisen Freigabe des privaten Funkempfangs, damit das neue Medium überhaupt
gehört werden konnte.
In Anbetracht ihrer wirtschaftlichen Interessen am Rundfunk und nicht zuletzt
auch aus wirtschaftlichen Gründen mußte bei diesem Schritt aus Sicht der Behörden
jedoch zugleich eine staatliche Kontrolle über den privaten Funkempfang gewährleistet
werden; und zwar in dreifacher Hinsicht:
- galt es sicherzustellen, daß die privaten Empfangsgeräte auch nach einer Freigabe des Funkempfangs nur mit Genehmigung der Reichsbehörden betrieben werden dürften (Genehmigungspflicht), da nur so die Möglichkeit ihrer behördlichen Überwachung und die Voraussetzung zur Erhebung der gewinnbringenden Gebühren gegeben war;
- mußte verhindert werden, daß die zum Zwecke des Rundfunkempfangs behördlicherseits
genehmigten Geräte zu geheimen, der staatlichen Kontrolle entzogenen Sendeanlagen
umgebaut werden konnten (Sendeverbot), was insbesondere bei selbstgebauten Geräten
technisch durchaus möglich war
; und
- mußte ausgeschlossen werden, daß mit den genehmigten Empfangsgeräten etwas anderes gehört werden konnte, als das unter staatlichem Einfluß und staatlicher Kontrolle produzierte Rundfunkprogramm, nämlich z.B. die nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Übertragungen des Polizei- und Militärfunks, oder des Telegrammdienstes der Post.
Während der letzte dieser Punkte, die Geheimhaltung des nichtöffentlichen Funkverkehrs durch die beschleunigte Einführung technischer Neuerungen, wie Schnelltelegraphie und Chiffriermaschinen, relativ problemlos zu bewältigen war, bereitete den Reichsbehörden die Durchsetzung von Genehmigungspflicht und Sendeverbot erhebliche, vor allem rechtliche Schwierigkeiten.
Schon zu Beginn der Rundfunkplanung hatte sich nämlich herausgestellt, daß das alte, nach wie
vor gültige Telegraphengesetz von 1908, demzufolge
“Funkanlage zur Vermittlung von Nachrichten” einer Genehmigung des Reiches
bedurften, keine ausreichende Grundlage für die angestrebte Genehmigungspflicht
von Rundfunkempfangsgeräten bot, da es in der Rechtsprechung umstritten war,
ob solche Geräte überhaupt als Anlagen zur Vermittlung von Nachrichten betrachtet
werden könnten. Darüber hinaus enthielt das Gesetz zwar ein eindeutiges, und
auch in der Rechtsprechung unumstrittenes Verbot unbefugten Sendebetriebs; im
Falle eines Verstoßes gegen seine Bestimmungen bot es aber nur wenig Möglichkeiten
für effektive Strafverfolgung, so daß bei einer massenhaften Verbreitung von
Rundfunkempfangsgeräten praktisch weder ein Umbau der Geräte zu Sendern, noch
ihre unerlaubte Nutzung ausgeschlossen werden konnte.
Trotz dieser Unzulänglichkeiten des alten Telegraphengesetzes kam eine von den
Reichsbehörden zunächst angestrebte gesetzliche Neuregelung des Funkwesens bis
zur Einführung des Rundfunks (bedingt durch die wechselhaften politischen Verhältnisse
in dieser Zeit) jedoch nicht zustande, so daß die Freigabe des Rundfunkempfangs
im Oktober 1923 zunächst nur auf Basis des alten Gesetzes und durch behördliche
Verfügungen erfolgen konnte. Erst im Nachhinein – und nicht ohne gesellschaftliche
Auseinandersetzungen – gelang es dann, auch die gesetzlichen Voraussetzungen
für die erlassenen Bestimmungen zu schaffen.
Unterabschnitte
- Die Rundfunkempfangsregelung vom Oktober 1923
- Radiobastler und Schwarzhörer:
Das widerspenstige Publikum - Die zweite Empfangsregelung vom April/Mai 1924
- Erfolg: Die Herausbildung des mediengerechten Publikums und die dritte Empfangsregelung vom August 1925
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