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Die SPD entdeckt den ‘Kulturkampf’ um den Rundfunk
Wie bereits erläutert, trafen die kulturpolitischen Bestrebungen der Arbeiterfunkfreunde anfangs
nicht nur bei der KPD sondern – zwar weniger massiv, aber erheblich länger -
auch bei der Sozialdemokratie auf Ablehnung. Dabei dürfte der Grund für diese
Gegnerschaft
der Sozialdemokratie zum einen sicherlich in einer gewissen Skepsis gegenüber
den zahlreichen kommunistischen Funktionären des ARKD gelegen haben. Darüber
hinaus hatte man hier aber auch für den vom ARKD propagierten ‘Kulturkampf’
um den Rundfunk zunächst wenig Verständnis. Anders als anfangs seitens der KPD
wurde der Rundfunk hier nämlich nicht als ein "Instrument der Bourgeoisie"
abgelehnt; vielmehr stand man dem Medium, das hier als, wie es im Vorwärts
hieß, "eine der volkstümlichsten Einrichtungen"
angesehen wurde, durchweg positiv gegenüber. Zwar mußte auch der Vorwärts
im Laufe der Zeit feststellen, daß das neue Medium, nachdem die SPD 1924 aus
der Rundfunkorganisation hinauskatapultiert worden war
"(…) immer mehr zu einer nationalistischen Propagandastätte degradiert
(wurde)"
, und forderte statt dessen einen "volkstümlichen Rundfunk"
. Anders als der ARKD scheint man innerhalb der Sozialdemokratie aber zunächst
nicht die Notwendigkeit gesehen zu heben, durch Mobilisierung der Öffentlichkeit
auf die Gestaltung des Rundfunks Einfluß zu nehmen; man beschränkte sich vielmehr
auf die verbliebenen parlamentarischen Einflußmöglichkeiten, z.B. über die sozialdemokratisch
(mit-) regierten Länder im Reichsrat
. Der ARKD konnte hier daher höchstens als Bastelklub, denn als eine in größerem
Maße unterstützenswerte kulturpolitische Vereinigung Anerkennung finden
.
Diese Haltung der Sozialdemokratie begann sich aber im Laufe des Jahres 1926,
als die endgültige Rundfunkorganisation erkennbar wurde, allmählich zu verändern.
Bereits im Februar 1926 gab der im Rahmen der Parteiorganisation für Kultur-
und Medienfragen zuständige "Reichsausschuß für sozialistische Bildungsarbeit"
gemeinsam mit dem "Beirat für das sozialistische Bildungswesen"
eine erste Stellungnahme zum Rundfunk ab, in der gefordert wurde, auch ’’(…)
kulturelle Kräfte, die der Arbeiterschaft nahestehen, zur Mitwirkung an den
Rundfunkprogrammen heranzuziehen." Und im Juni 1926 veröffentlichte der Reichsausschuß sogar schon einen regelrechten
Aufruf zu außerparlamentarischen Aktivitäten sozialistischer Organisationen
für eine Einflußnahme auf den Rundfunk. In seiner Zeitschrift "Arbeiter-Bildung"
hieß es:
"Es ist (…) notwendig, daß unsere Organisationen überall, wo Rundfunksender bestehen, auf das Entschiedenste darauf dringen, daß die Kulturbeiräte geschaffen und Vertreter der Arbeiterschaft hinzugezogen werden. Es empfiehlt sich hierbei ein Zusammengehen des Sozialistischen Kulturbundes bzw. des Bezirksbildungsausschusses mit den Gewerkschaften, gegebenenfalls (!) auch mit dem Arbeiter-Radiobund."
Damit es zu mehr als nur "gegebenenfalls" zu einer Zusammenarbeit
mit dem ARBD kommen konnte – eine Formulierung, die der NRF doch "merkwürdig"
fand -, bedurfte es allerdings einiger Anstrengungen seitens des Vereins. Dabei
scheint die Werbung für den ARBD vor allem in den Händen W. Büschers, eines
sozialdemokratischen Vorstandsmitglieds des Vereins
, gelegen zu heben. Büscher hatte bereits im Februar 1926 in der "Zeitschrift
für Theorie und Praxis der (…) Gewerkschaftsbewegung", dem "Gewerkschafts-Archiv"
auf die Notwendigkeit einer Einflußnahme der organisierten Arbeiterschaft auf
die "Großmacht"
Rundfunk hingewiesen und für eine Unterstützung des ARKD geworben, da – wie
er schrieb -"(… d)iese junge Radioorganisation (…) einen Untergrund
braucht, den nur schon bestehende festgefügte Arbeitervereinigungen bilden können."
Im August 1926 gelang es ihm dann, einen ähnlichen Beitrag in der "Arbeiter-Bildung"
unterzubringen, und auf der Reichskonferenz der Bezirksbildungsausschüsse der SPD am 4.10.26
in Blankenburg, konnte er sogar persönlich als offizieller Vertreter des ARKD
für eine Unterstützung des Vereins werben
.
Diese Werbetätigkeit Büschers brachte allerdings nur bedingt das, was man sich
innerhalb des ARKD von ihr versprochen haben mag. Zwar erklärte sich der Sekretär
des Sozialistischen Kulturbundes R. Weimann auf der Blankenburger Konferenz
schließlich prinzipiell zu einer Zusammenarbeit mit dem ARKD bereit. Während
dieser sich, wie es schon in der ersten Ausgabe des NRF hieß, als "Träger
der organisierten Zusammenfassung dieser Bewegung" betrachtete, verlangte Weimann aber, daß der ARKD damit es zu einer Zusammenarbeit
kommen könne, den Führungsanspruch des Sozialistischen Kulturbundes im Kampf
um den Rundfunk anerkennen müsse:
"Dem ARKD gegenüber" – so stellt er fest – "betonen wir, daß die kulturelle Interessenvertretung der Arbeiterschaft dem Rundfunk gegenüber nicht Sache einer Spezialorganisation, wie sie der ARK darstellt, sein kann, sondern von den Arbeiterkulturkartellen, die alle großen Organisationen umfassen, ausgeübt werden muß. Wir sind aber selbstverständlich bereit, wenn der ARKD grundsätzlich sich auf diesen Standpunkt stellt, mit ihm zusammenzuarbeiten."
Das Bemühen des ARKD, auch bei sozialdemokratischen Organisationen im breiteren Rahmen Anerkennung und Unterstützung zu finden, sollte mithin ins Gegenteil verkehrt werden. Nicht der Sozialistische Kulturbund wollten den ARKD, sondern dieser sollte die rundfunkpolitischen Bestrebungen des Kulturbundes unterstützen.
Allerdings war dieser Führungsanspruch der sozialdemokratischen Organisationen
zu diesem Zeitpunkt noch an keine inhaltlichen Positionen geknüpft, denn auch
innerhalb des Kulturbundes war die Diskussion um die Strategie des Kulturkampfes
um den Rundfunk – wie aus dem Blankenburger Protokoll hervorgeht – keineswegs
abgeschlossen. Sogar die vom ARKD als Fernziel ins Auge gefaßte Errichtung eigener
Arbeitersender wurde hier von einigen Delegierten gefordert, und selbst für Weimann war diese Forderung noch durchaus diskutabel. Ähnlich
wie die Autoren des NRF räumte er ihr allerdings nur wenig Realisierungschancen
ein und maß ihr zudem nur geringe Bedeutung bei:
``Die Errichtung eines eigenen Senders" – so seine Argumentation -``ist aus finanziellen und technischen Gründen schwierig. Außerdem ist die Beeinflussung der öffentlichen Sender für uns ebenso wichtig, wie die Errichtung eines eigenen Senders, durch den wir in der Hauptsache nur an kleinere Kreise, die uns nahestehen, herankommen werden, während die breite Masse durch die öffentlichen Sender zu erreichen ist. (…) Den eigenen Sender lehnen wir keineswegs grundsätzlich ab, nur ist seine Schaffung in nächster Zeit nicht möglich. Wir müssen deshalb die allgemeinen Sender für uns mitbenützen."
Aufgrund dieser weitgehenden Ähnlichkeit der inhaltlichen Positionen konnte
es trotz des Führungsanspruchs der Sozialdemokratie im Herbst 1926 zu ersten
Ansätzen einer Zusammenarbeit kommen. Bereits auf der schon mehrfach erwähnten
öffentlichen Rundfunkhörerversammlung der ARK Berlin, am 7.10. im Gewerkschaftshaus,
sprach auch der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Artur Crispien über
die Notwendigkeit des Kampfes um ein ’’Mitbestimmungsrecht" am Rundfunk. Und Ende November kam es dann auf einer, auf Initiative des ARK zustandegekommenen
Versammlung ``namhafter Künstler, Publizisten und führende® Persönlichkeiten"
, an der unter anderen auch der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete und
Rundfunkexperte Ernst Heilmann teilnahm, zu Vereinbarungen über eine weitergehende
Zusammenarbeit; denn – so stellte man einhellig fest:
``Wichtig ist gerade eine gemeinsame Front, da nur mit ihr eine wirkliche Umwandlung der Programmgestaltung des Rundfunks erreicht werden kann."
Um das Problem des Führungsanspruchs zu umgehen, sollte zur Koordination des
Kampfes um den Rundfunk eine gemeinsame "Rundfunkarbeitsgemeinschaft"
geschaffen werden, die – wie es im NRF hieß – "(…) keine einseitige
Politik zu treiben hat" und "(…) die Programme der Rundfunkgesellschaften
nach freiheitlichen Richtlinien im Interesse des werktätigen Volkes beeinflussen
soll." Als erster Schritt in diese Richtung wurde noch auf der Versammlung ein "vorläufiger
Arbeitsausschuß" ins Leben gerufen, der bereits "bestimmte
Programmvorschläge möglichst im Rahmen von Sonder-Volksabenden" erarbeiten,
wie auch die "Entwicklung des Senderechts" verfolgen und nach
Möglichkeit beeinflussen sollte.
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