Die Einführung des Rundfunks in Deutschland
und die Reaktion der organisierten
Arbeiterradiobewegung auf das neue Medium
Freie wissenschaftliche Arbeit
zur Erlangung des Grades eines Magister Artium
am Fachbereich Kommunikationswissenschaften
der Freien Universität Berlin
von:
Klaus – Michael Klingsporn
März 1988
Einleitung:
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Entstehungsgeschichte des Weimarer Rundfunks und der Versuch der neu entstandenen Arbeiterradiobewegung, auf das neue Medium Einfluß zu gewinnen. Durch die Gegenüberstellung beider Prozesse soll die Voraussetzung dafür geschaffen werden, sowohl die Kritik der Arbeiterradiobewegung am Weimarer Rundfunk und ihre Vorstellungen über eine andere, den Interessen und Bedürfnissen der organisierten Arbeiterschaft angemesseneren Gestaltung des Mediums, als auch das weitgehende Scheitern einer Durchsetzung dieser Vorstellungen nachvollziehen und einschätzen zu können.
Diese im wesentlichen historische Gegenstandsbestimmung ist Resultat einer ausgedehnten Beschäftigung mit der Arbeiterradiobewegung. Mein ursprüngliches Interesse bestand dabei darin, im Rahmen der Arbeiterradiobewegung entwickelte Radio-Utopien aufzuspüren, also auch für die heutige Zeit noch wegweisende Vorstellungen über eine alternative Gestaltung des Mediums Rundfunk, an deren Existenz innerhalb der Bewegung es für mich, vor allem nach der Lektüre der Arbeit Peter Dahl’s (1978), keinerlei Zweifel gab. Auch eine erste Sichtung der von dem Arbeiterradioverein herausgegebenen Zeitschrift schien dies zu bestätigen, denn gerade in den ersten Jahrgängen finden sich hier eine Reihe von Aufsätzen, in denen Erwartungen und Hoffnungen an das neue Medium formuliert werden und aus denen sich, wie ich hoffte, durchaus eine zusammenhängende Radio-Utopie, ähnlich etwa der Berthold Brechts, rekonstruieren ließe.
Im Laufe weiterer Quellenarbeit gelangte ich jedoch zu der Erkenntnis, daß ein solcher Rekonstruktionsversuch einer bloßen Illusionsproduktion gleichgekommen wäre. Der Grund hierfür lag darin, daß in der Zeitschrift zwar Hoffnungen in den Rundfunk formuliert waren und auch eine allgemeine Einschätzung des Mediums gegeben wurde, die hier entwickelten Alternativen jedoch – anders als bei der Utopie Brechts – wesentlich auf den Weimarer Rundfunk bezogen blieben und z.T. sogar bloße, in einer Unkenntnis der realen Organisationsstrukturen des Mediums wurzelnde Erwartungen an diesen Weimarer Rundfunk waren. Statt Utopien rekonstruieren zu wollen, so wurde mir klar, stellte sich hier zunächst einmal die Aufgabe, die Vorstellungen der Arbeiterfunkfreunde in Bezug auf den Weimarer Rundfunk zu untersuchen, also herauszuarbeiten,
- was sie an dessen inhaltlicher wie organisatorischer Gestaltung auszusetzen hatten,
- ob und wieweit dabei die behördlicherseits wohldurchdachte Organisation des Mediums als staatlichem Propagandainstrument erkannt wurde, und
- wie sich in diesem Zusammenhang – und nicht vor dem Hintergrund der heutigen Rundfunknutzung – ihre alternativen Konzepte zur Gestaltung des Mediums darstellten.
Im Unterschied zu meiner ursprünglichen Zielsetzung hat diese Gegenstandsbestimmung zwar den Vorteil, nicht Utopien suchen und finden zu müssen, wo sie nicht oder nur sehr begrenzt existieren. Zugleich verlangt sie aber auch eine stärker historische Gewichtung der Arbeit, denn als Voraussetzung zur Beantwortung der o.g. Fragen gilt es zunächst, die Organisationsstrukturen des Weimarer Rundfunks als staatlichem und regierungskontrolliertem Propagandainstrument herauszuarbeiten. Dies bedingt jedoch – da eine Darstellung der Programmgeschichte des Weimarer Rundfunks noch aussteht und bislang vor allem Arbeiten zur (politischen) Entstehungsgeschichte des Mediums vorliegen (vgl. Projektgruppe Programmgeschichte, 1986, S. 9) - eine Zusammenfassung der Entstehungsgeschichte der ersten deutschen Rundfunkorganisation.
Diese Zusammenfassung der Organisationsgeschichte des Weimarer Rundfunks bildet Teil I der vorliegenden Arbeit, in dem nach einem einleitenden Kapitel über die Vorgeschichte des Mediums in den beiden folgenden zunächst die Entstehung der inneren Organisation des Weimarer Rundfunks (Organisation der Programmproduktion) und dann die Entwicklung seiner äußeren Organisation (Sender- und Empfangskontrolle) zusammengefaßt werden. Die Darstellung konnte sich dabei auf die vorliegenden umfangreichen Arbeiten zu diesem Thema stützen. Nur bei der Darstellung der äußeren Organisationsentwicklung, die bislang vor allem aus Sicht der Reichsbehörden bearbeitet wurde, die für die Politisierung der Arbeiterradioamateure jedoch nicht ohne Bedeutung war, schien es notwendig, auch zeitgenössische Amateurzeitschriften in die Bearbeitung mit einzubeziehen, um auch der Seite des – bevormundeten - Publikums des neuen Mediums gerecht zu werden.
Teil II der Arbeit beschäftigt sich dann mit den rundfunkpolitischen Positionen und Vorstellungen der Arbeiterradiobewegung, die hier nicht nur vor dem Hintergrund ihres Gegenstandes, des Weimarer Rundfunks, sondern auch im Zusammenhang mit der organisatorisch-politischen Entwicklung der Bewegung betrachtet wird, da nur in diesem Zusammenhang die mit der Übernahme der Organisationsführung durch die Sozialdemokraten einsetzende Polarisierung der innerhalb der Bewegung entwickelten rundfunkpolitischen Positionen, die letztlich auch zu ihrer Spaltung führen sollten, verständlich werden kann. Die Darstellung sowohl der inhaltlichen Vorstellungen als auch der organisatorischen Entwicklung der Arbeiterradiobewegung ist dabei weitgehend das Resultat eigener Quellenarbeit, da die bisherige Literatur - bedingt durch ihre schon von Halefeldt (1981, S. 514) beklagten "ständige(n) Verweise auf (vorgeblich) exemplarische Vorgänge" bei gleichzeitigem Fehlen solider Belege für aufgestellte Behauptungen – nur wenig gesichertes Wissen zu bieten vermag.
In einem dritten Schritt wird in einem kurzen Resümee schließlich versucht, die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit noch einmal zusammenzufassen und einen Ausblick auf die weitere Entwicklung des Kampfes der organisierten Arbeiterradiobewegung um den Rundfunk zu geben.
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